Tausche Traurigkeit gegen gute Laune

Conny Jonas hat einen besonderen Beruf: Sie bringt seit 14 Jahren als Clownin Cocktelia gute Laune in die Krankenzimmer des Kinderkrankenhauses. Ein Beruf, in dem Freude und Trauer nah beieinander liegen, aber Freundschaften fürs Leben und darüber hinaus entstehen.

Im Interview erklärt Conny Jonas, was sie an ihrem Beruf schätzt, der ohne die Spenden an den Förderverein nicht möglich wäre.

Fotos: Jan Ladwig
Interview: Sebastian Lühmann

 

Hand aufs Herz: Sprechen wir bei Cocktelia von einem Clown oder einer Clownin?
Ich bin eine Clownin, das sieht man doch!

Warum der Name Cocktelia, wie kam es dazu?
Ich habe früher als Tagesmutter gearbeitet. Anne war ein Kind, das ich betreut habe. Immer wenn wir zusammen Quatsch gemacht haben, hat sie gesagt: „Conny, wenn du irgendwann mal Clownin werden willst, muss du unbedingt Cocktelia heißen!“ So ist der Name entstanden.

Was macht den besonderen Reiz an deinem Beruf aus?
Besonderen Spaß macht es mir, die Kinder zum Lachen zu bringen und sie aus der Traurigkeit herauszuholen. Das Leuchten der Augen ist das Allerschönste an meinem Beruf.

Wie lange arbeitest du schon als Cocktelia?
Ich arbeite mittlerweile seit 16 Jahren als Clownin und seit 14 Jahren für das Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße.

Besuchst du Kinder auf ihren Zimmern?
Ja, ich besuche die Kinder fast ausschließlich auf ihren Zimmern. Ich besuche die Infekt-Station und die zwei Intensivstationen. Zuerst spreche ich mit den Ärzten und Pflegern, welche Kinder ich besuchen kann, wie es ihnen geht und welches Kind schon ganz sehnsüchtig auf den Clown wartet. Danach habe ich dann einen Plan, wo ich hingehen kann.

Wie darf man sich dein „Programm“ vorstellen? Gibt es feste Abläufe und Herangehensweisen oder obsiegt die Spontaneität und Situationskomik bei dir?
Ich habe immer meinen Wagen dabei, in dem mein ganzes Gepäck ist: Zauberutensilien, Luftballons, Pupskissen und mein Schwein Trudi.

Das hört sich nach viel Spontaneität an …
Das stimmt. Denn ein Programm im herkömmlichen Sinne gibt es nicht, weil jedes Zimmer und jeder kleine Patient anders ist. Ich bin eher ein Clown, der leise eintritt und improvisiert. Es kommt immer auf die Situation und die Atmosphäre im Zimmer an, wie ich mein Programm absolviere.

Kannst du uns ein Beispiel geben?
Entweder starte ich mit einer kleinen Zauberei, bastle ein Luftballontier oder wir singen etwas zusammen. Manchmal halte ich auch einfach nur die Hand. Das passiert meistens, wenn ich das Kind schon sehr lange kenne und über Monate begleite.

Einige der Kinder haben monatelange Aufenthalte im Kinderkrankenhaus in der Amsterdamer Straße. Baut man zu diesen Kindern automatisch eine engere Beziehung auf?
Ja, definitiv. Ein Junge war zum Beispiel hier im Kinderkrankenhaus, seitdem er ein Baby war. Er konnte nicht laufen, nicht springen, nicht Fahrrad fahren oder in den Kindergarten gehen. Aber er hat mir gesagt: „Cocktelia, deine Späße und deine Zauberei, die machen mich so stark, dass ich alles schaffe.“ Mit 14 Jahren ist er leider verstorben, aber ich habe ihn vorher noch zu Hause besucht, was ich normalerweise nicht mache. Wir haben zusammen gespielt und Zaubertricks gemacht. Er hat für seine Familie gezaubert und alle hatten Spaß. Es war wunderschön zu sehen, dass er das noch erleben durfte.

Wie nehmen die Kinder dich wahr?  Als die Gute-Laune-Cocktelia? Als Spaßmacherin? Als Trösterin?
Das ist ganz unterschiedlich und das ist auch gut so. Ich nehme für die Kinder jegliche Rolle ein, die für sie wichtig ist. An manchen Tagen bin ich dann eben die Gute-Laune-Cocktelia, an anderen bin ich die Trösterin. Ich habe viel Humor und lasse mich auf die Kinder und die Situation ein.

Wie schaffst du es, auch an persönlich schwierigeren Tagen in deiner Rolle stets positiv und humorvoll für die kleinen Patienten da zu sein?
Sobald ich die rote Nase aufsetze, bin ich Cocktelia und lasse alle meine Sorgen, die ich habe, zu Hause und konzentriere mich wirklich nur auf das kranke Kind. Denn ich weiß, dass das Kind mich braucht – meine Freude, mein Strahlen und meine gute Laune. Ich möchte den Kindern Lebensfreude schenken.

Wie bist du überhaupt Cocktelia geworden?
Ich war auf einer Clownschule. Dort lernt man, seine Clown-Persönlichkeit zu finden. Zuerst muss man lernen, richtig zu atmen, siehst du: so … (Cocktelia atmet tief ein und aus; Anm. d. Redaktion), … sich Energie zu holen, auf Menschen zuzugehen und auf der Bühne zu stehen beziehungsweise vor Menschen zu reden. Natürlich lernt man auch, „professionell“ Quatsch zu machen und Spaß zu vermitteln, sei es mit Zaubertricks, Gestik oder Mimik. Psychologisch lernt man an der Clownschule den Umgang mit der Familie, den Eltern, den Geschwistern und anderen Angehörigen.

Was kommt bei den kleinen Patienten besonders gut an?
Kinder lieben das Zaubern. Genauer gesagt das pädagogische Zaubern. Das heißt, dass die Kinder im Vordergrund stehen und der Clown sich zurücknimmt. Gelingt der Trick, platzen die Kinder vor Stolz, sind glücklich und die ganze Welt ist verzaubert. Denn wenn das kranke Kind lacht, lachen die Mutter, der Vater und das ganze Zimmer mit.

Wie zeigen Kinder Dankbarkeit und Zuneigung?
Die Zuneigung ist schon da, sobald ich die Clownsnase aufsetze. Da spüre ich sofort die Freundschaft. Dankbarkeit zeigt sich wiederum durch das Strahlen im Gesicht und die ehrliche Freude, die die Kinder erleben.

Einige Schicksale sind traurig, bestimmt von schlimmen und heftigen Krankheitsbildern. Fällt es dir schwer, als jemand der gute Laune, Humor und Spaß vermittelt, damit umzugehen?
Ja. Ich kenne die Krankheiten der Kinder. Und wenn ich zu einem sehr kranken Kind ins Zimmer komme, bin ich selbst sehr traurig. Ich weine dann auch, zusammen mit dem Kind. Aber dieses „Zusammen-Aushalten“ macht unsere Freundschaft aus.

Wie gehst du mit traurigen Momenten um, wenn Kinder erfahren, dass es wenig oder keine Heilung gibt?
Es geht als Clownin nicht nur darum, Späße zu machen. Ich gebe den Kindern auch Halt und bin für sie da. Und auch den Eltern und Geschwistern versuche ich, Trost zu schenken, umarme sie, weine und rede mit ihnen. Es sind traurige Momente, in denen ich alles dafür tue, ihnen in irgendeiner Form Halt zu geben und da zu sein.

Eltern begleiten ihre Kinder oft durch den gesamten Klinikaufenthalt. Inwieweit kommst du mit den Vätern und Müttern in Kontakt? Musst du hier die „Aufgabe“ als Überbringer von guter Laune und Hoffnung ausfüllen?
Als Clownin bin ich sehr authentisch. Wenn ich in ein Zimmer komme, beziehe ich die Eltern und Geschwister immer mit ein. Denn Eltern brauchen auch Trost und Freude. Insbesondere gilt das für die Geschwisterkinder. Das ist eine ganz sensible Sache.

Das musst du uns kurz erklären …
Die Geschwisterkinder leiden nicht nur darunter, dass der Bruder oder die Schwester schwer krank sind, sondern auch darunter, dass die Eltern natürlich einen großen Teil ihrer Aufmerksamkeit dem kranken Kind widmen. Solche Geschwisterkinder nennt man im Fachjargon auch „Schattenkinder“, weil sie immer zurückstecken müssen. Um sie kümmere ich mich ganz besonders.

Wie gehen erkrankte Kinder mit solchen Situationen um, was gibt ihnen Trost?
Kinder gehen ganz anders mit Traurigkeit um als Erwachsene. Sie nehmen solche Nachrichten leichter auf, da sie nicht so viel hinterfragen. Und es hilft ihnen, wenn der Clown da ist. Der Clown ist zum Freund geworden und ist ein ständiger Begleiter.

Manche Geschichten gehen einem sicher sehr nah. Wie geht der Mensch Conny, hinter Cocktelia, mit den Krankengeschichten um? Wie schaffst du Distanz nach einem „Arbeitstag“?
Mir tut es immer sehr gut, mit den Seelsorgern im Kinderkrankenhaus zu sprechen. Wer mich besonders starkmacht, ist mein Ehemann. Ich habe eine sehr schöne und glückliche Beziehung und Ehe. Wie er mich hält und auffängt, das kann ich an andere Menschen weitergeben.

Was war der schönste oder auch emotionalste Moment, den du als Cocktelia erlebt hast?
Ich hatte eine ganz tolle Begegnung mit einer kleinen Patientin. Sie ist sechs Jahre alt und sitzt im Rollstuhl. Sie hat eine Muskelerkrankung, kann sich kaum bewegen und hat keine hohe Lebenserwartung. Nur den Rollstuhl kann sie steuern. Trotz ihrer Krankheit hat sie so eine Lebensfreude in sich, so ein Strahlen im Gesicht, das war beeindruckend. Und es hat mir gezeigt, wie stark man sein kann. Deshalb habe ich sie an ihrem Geburtstag zu Hause besucht. Als Überraschung. Ich habe ihr einen Zauberstab geschenkt und wir haben zusammen gezaubert. Diese Dankbarkeit, auch von den Eltern, war eines der schönsten und größten Erlebnisse in meiner Zeit als Clownin.

Die Kinder und Familien geben dir so auch etwas zurück, das motiviert …
Ja klar, auf jeden Fall, ganz viel sogar. Kinder sind immer ehrlich – sie sagen dir, was sie denken, und du kannst in ihren Gesichtern sehen, wie sie sich fühlen und was sie gerade denken. Sie geben dir das ehrlichste Feedback. Das schönste Geschenk der Kinder ist es, in ihren Augen die Freude und das Lachen zu sehen.

Was unterscheidet den Mensch Conny Jonas von der Clownin Cocktelia? Und wo liegen die Gemeinsamkeiten?
Es gibt eigentlich kaum Unterschiede. Ich bin als Clownin sehr authentisch, sehr einfühlsam und kann gut auf Menschen zugehen. Ich wollte schon immer etwas Soziales machen. Ich liebe es, mich zu verkleiden, Lebensfreude zu schenken und Quatsch zu machen. Der Mensch Conny Jonas kann all das als Clownin Cocktelia ausleben. Ich kann einfach ich selbst sein.

Wenn ich morgen als Clown mit Kindern zusammen sein würde, welche Tipps würdest du mir geben und welche persönlichen Eigenschaften sind besonders wichtig?
Du musst sehr feinfühlig sein, gut auf Menschen zugehen können und spielen können. Du brauchst ein großes Herz und musst in deiner Rolle als Clown voll aufgehen und für die Kinder da sein. Und eine rote Nase wäre sehr gut!